Hierzulande herrscht seit mehreren Jahren Fachkräftemangel. Dessen Auswirkungen sind an allen Ecken spürbar und verschlechtern sich zunehmend. Laut einer aktuellen Untersuchung des IW verringert sich zwar die bundesweite Zahl an fehlenden Fachkräften. Dennoch gibt es nur wenig Anlass für Optimismus.
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Hunderttausende an offenen Stellen
Im vergangenen Jahr ging die Fachkräftelücke in Deutschland etwas zurück. Aktuelle Zahlen belegen, dass etwa 570.000 offene Stellen nicht mit Mitarbeitern mit entsprechender Qualifikation besetzt werden konnten.
Im Vergleich zum Vorjahr ging die Zahl um etwa zehn Prozent zurück.
Die Zahlen gehen aus einer Analyse des Kompetenzzentrums Fachkräftesicherung bzw. KOFA des arbeitgebernahen Instituts der Deutschen Wirtschaft bzw. IW hervor. Im Jahr 2022 wurde der bislang höchste Stand des Fachkräftemangels seit dem Anfang des Beobachtungszeitraums ab 2010 erreicht.
Keine Entwarnung auf dem Arbeitsmarkt in Deutschland
Trotz der aktuell gesunkenen Zahlen kann nicht von einer Erholung auf dem Arbeitsmarkt in Deutschland die Rede sein. Stattdessen führte die eingetrübte Konjunktur zu weniger offenen Arbeitsstellen sowie mehr arbeitslosem qualifiziertem Fachpersonal. Wie Studienautor Jurek Tiedemann betont, bewegt sich die Fachkräftekluft noch immer auf einem sehr hohen Niveau.
Aufgrund der aktuell bestehenden komplizierten wirtschaftlichen Lage sei 2024 erneut von einer Verringerung auszugehen. Im Falle eines wirtschaftlichen Aufschwungs ist ein rapider Anstieg des Fachkräftemangels wahrscheinlich.
Massiver Fachkräftemangel in Verkehrsberufen
Besonders drastisch ist der Fachkräftemangel in Verkehrsberufen. Besonders massiv ist der Mangel an Straßenbahn- sowie Busfahrern. Landesweit fehlten insgesamt 3.594 Beschäftigte. Im Vergleich zum Vorjahr erhöhte sich der Anteil somit um knapp 90 Prozent.
Lokführer klagen derzeit über etwa 4.000 unbesetzte Stellen.
Zusätzlich herrscht akuter Fachkräftemangel in den Bereichen Gesundheit, Soziales, Erziehung sowie Lehre. In diesen Bereichen konnten durchschnittlich sechs von zehn offenen Arbeitsplätzen nicht besetzt werden.
Zu wenige Erzieher in Deutschland
Während es im Jahr 2023 in der Gesundheits- und Krankenpflege an insgesamt 17.656 Fachkräften mangelte, waren in der Betreuung und Erziehung von Kindern ganze 30.311 Stellen unbesetzt. Damit ist der Anteil an fehlenden Fachkräften in der Erziehung höher als in jedem anderen Bereich.
Um zukünftig mehr Menschen für diese Branchen zu begeistern, sei es wichtig, mehr Menschen für die Berufe zu begeistern. Neben massiven Engpässen im Handwerk mangelt es an Personal, das sich beruflich um den digitalen Wandel, den Wohnungsbau sowie politische Klimaziele sorgt.
Fachkräftemangel in Frauenberufen
Gemäß einer kürzlich durch den IW veröffentlichten Untersuchung lastet der Fachkräftemangel in der deutschen Wirtschaft hauptsächlich auf Frauen.
Schließlich sind klassischen Frauenberufe in Bereichen wie Sozialpädagogik, Erziehung oder Kinderbetreuung besonders stark von der Fachkräftelücke betroffen.
Laut Aussagen der Forscher ist es bislang auch nur partiell gelungen, Männer für die Branchen zu begeistern.
Mehr Erwerbstätige als jemals zuvor
Nach Angaben des Statistischen Bundesamts gingen 2023 mit etwa 46,2 Millionen Menschen so viele Menschen wie noch in Deutschland einer Erwerbstätigkeit nach. Aufgrund des Fachkräftemangels sprach sich Bundesarbeitsminister Hubertus Heil erst kürzlich zu einer verstärkten Beschäftigung von Ausländern, älteren Menschen und Frauen aus. Eine Zunahme an Fach- und Arbeitskräften sei besonders wichtig, um sich dauerhaft als drittstärkte Volkswirtschaft zu etablieren.
Bedarf an mehr Pflegekräften
Erschwerend kommt hinzu, dass der Bedarf an Fachkräften in zahlreichen Berufsbereichen zukünftig deutlich ansteigen wird. Beispielsweise geht das Statistische Bundesamt davon aus, dass hierzulande bis 2049 mindestens weitere 280.000 Pflegekräfte notwendig sein werden.
Zudem sorgt der demografische Wandel dafür, dass die deutsche Wirtschaft zwingend auf ausländische Fach- und Arbeitskräfte angewiesen ist. Insbesondere in der Gastronomie sowie in Reinigungsberufen haben viele Berufstätige hierzulande eine Einwanderungshistorie.
Weniger Hürden für ausländisches Fachpersonal
Um dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken, müssten laut den Studienautoren mehr an- oder ungelernte Personen qualifiziert sowie ausländisches Fachpersonal rekrutiert werden. Weitere Anreize seien erforderlich, damit ältere Arbeitende ihrer beruflichen Tätigkeit auch im Rentenalter nachgehen.
Erste Schritte leitete die Bundesregierung bereits ein, indem ein Eintritt auf dem Arbeitsmarkt in Deutschland auch für Nicht-EU-Bürger möglich ist.
Aus Drittstaaten stammende Menschen könnten zukünftig auch in Deutschland ihrer beruflichen Tätigkeit nachgehen, wenn sie mindestens zweijährige Berufserfahrung nachweisen. Die gleiche Berechtigung gilt, falls sie in ihrem Herkunftsland einen staatlich anerkannten Berufs- oder Hochschulabschluss absolviert haben. Ein Nachweis einer in Deutschland anerkannten Ausbildung ist nicht zwingend erforderlich.
Ein weiteres Problem: Zu hohe Mieten in deutschen Großstädten
Einige Fachkräfte können auch deshalb nicht in Deutschland Fuß fassen, weil die Mieten in vielen deutschen Großstädten schlichtweg zu hoch sind. Zu hohe Mieten sind für viele Menschen ein Grund, sich für das Leben in einer Großstadt zu entscheiden.
In Ballungsräumen ansässige Arbeitgeber haben deshalb große Probleme, versierte Fachkräfte zu finden und dauerhaft an sich zu binden.